Sonntag, 22. Juni 2014

Langeweile ist eine tödliche Krankheit




Was hat es nur auf sich mit der langen Weile? Vor einigen Jahren habe ich mich mal mit dem Thema beschäftigt. Ziemlich intensiv sogar. Episch ausufernd sogar. Meine Magisterarbeit handelte davon. Und zwar davon, wie wir Emotionen wahrnehmen und über sie sprechen. Es gibt Sprach- und Hirnforscher, die gehen davon aus, dass wir in Metaphern denken und daher in Metaphern sprechen. Emotionen sind ein spezielles Gebiet. Viele von ihnen sind sehr unkonkret und lassen sich schwer beschreiben. Liebe, Hass, Wut - das sind die einfacheren unter den Gefühlen. Einfach deshalb, weil sie so drastische konkret wahrnehmbare körperliche Symptome hervorrufen, wie Hitzewallungen, Übelkeit, Zittern, rote Köpfe.

Damals interessierte mich die Langeweile, weil sie allgegenwärtig schien und doch so unbeschreiblich. Was passiert mit uns, wenn wir uns langweilen? Was geht in unserem Körper vor sich, was denken wir? Wie sprechen wir darüber? Dann las ich vor kurzem einen Beitrag auf Spiegel Online, in dem Absolventen den Inhalt ihrer Abschlussarbeiten in einem Satz zusammenfassten. Da dachte ich mir: 

Langeweile ist eine tödliche Krankheit. 


Das trifft es ziemlich genau. 
Ich komme um vor Langeweile. Ich sterbe vor Langeweile. Mir ist sterbenslangweilig. Mir ist todlangweilig. Ich bin gelähmt vor Langeweile. Ich langweile mich zu Tode. Mir ist stinklangweilig (Woher kommt nur der Verwesungsgeruch?). Mir ist fad' (mir ist ganz flau im Magen). Das ist ja öde (ohne Abwechslung, gleichförmig, in den Wahnsinn treibend). Ich muss die Zeit totschlagen. 
All diese gängigen Metaphern verwenden wir um annähernd zu beschreiben, was in uns vorgeht, wenn wir uns langweilen. Langeweile ist ein Gefühl, das kaum zu ertragen ist. Im Grunde wie Zahnschmerzen. Bei Zahnschmerzen hat man dieses nervöse Unbehagen, diese Rastlosigkeit, dieses Ichweißnichtwohin und dieses Beruhigdichdochaberwiedennbloß. Mit Ibuprofen bekommt man das bedingt in den Griff, aber bei Langeweile hilft das nichts. 

An chronischer Langeweile soll angeblich unsere "heutige Jugend" leiden. Vor lauter Beschäftigungsmöglichkeiten wissen Sie nicht, was sie tun sollen. Chronisch! Leiden! Krankheitsmetaphern wohin das Auge reicht. 
Das Konzept existiert bereits seit dem 4. Jahrhundert n. Chr. Den Mönchen fielen damals die Decken ihrer Zellen auf die Köpfe und sie waren angewidert von der Monotonie ihrer Tätigkeiten. Taedium nannten sie es. Ein Begriff der heute im Englischen noch als Synonym für Langeweile verwendet wird.

Heute war so ein Tag. Langeweile. Zahnschmerzen. Innere Unruhe. Rastlos und doch müde. Schwüles, drückendes Wetter. Es half nur eins: schreiben. Ich ertrug den aufkeimenden Verwesungsgeruch nicht ... ;-)